Die Vertreibung des Arrendatore
Die Vertreibung des Arrendatore - Daniela Spoto 2023, © CCIAA NU

Die Vertreibung des Arrendatore

Beschreibung

Im 18. Jahrhundert ging Sardinien von der spanischen Herrschaft in die der Savoyen über. Langsam und unter vielen Widerständen begann die verwaltungstechnische, soziale und kulturelle Transformation Sardiniens. Die Beamten aus Piemont schlichen sich auf Zehenspitzen in das Feudal- und Steuersystem der Insel, das in Lehen unterteilt blieb und von der Aristokratie spanischer Herkunft dominiert wurde, die Steuern einhob und die Justiz verwaltete.

Carlo Emanuele III di Savoia
Carlo Emanuele III di Savoia -

Am 24. September 1771 erließ Carlo Emanuele III. ein Edikt, aufgrund dessen jede Gemeinde einen Gemeinderat berufen musste und so den Grundstein für eine alternative Verwaltung des Territoriums zu der der früheren Herrscher legte.
In Nuoro wurde der erste Bürgermeister, Don Antonio Francesco Nieddu del Sardo und ein Rat von sechs namhaften Bürgern gewählt. Kurz darauf trat Giovanni Antonio Moreddu di Fonni, Steuereintreiber für den spanischen Feudalherrn der Gegend, den Markgrafen von Orani Don Pedro de Alcàntara de Silva de Hìjar, vor den Rat, um neue Steuern auf Weinberge und Bienenstöcke (also Wein und Honig) zu erheben.

Die Reaktion des Rates war einstimmig: Der Arrendatore (dies ist der spanische Name des Steuereintreibers des Lehnherren) wurde davongejagt, und es wurde beschlossen, dass von nun an, „el abuso de ninguna manera de ningnuna, nueva imposición y nuevo pecho né el arrendador né el mismo Marques“ (Missbrauch und die Auferlegung neuer Steuern, weder seitens des Steuereintreibers noch des Markgrafen selbst) verboten sei.
Diese Episode, die im Wesentlichen die Veränderung des politischen Gleichgewichts im Sardinien des 18. Jahrhunderts kennzeichnet, blieb in der Erinnerung des Volkes, denn sie war ein Beispiel für den Mut der Bevölkerung Nuoros und ihrer Bereitschaft, sich den Ungerechtigkeiten und Übergriffen der Tyrannen zu widersetzen.

Im Jahr 1924 erinnerte sich Mario Delitala anlässlich einer Ausschreibung für die Dekoration des Ratssaals der Gemeinde Nuoro an diese Begebenheit - und er gewann sie. Das Dekorationsprojekt des Malers aus Orani konzentrierte sich auf eine große Leinwand in der Mitte mit dreieinhalb Metern Länge und zwei Metern Höhe, auf der sich vor den Augen der Bürger der entscheidende Moment des glorreichen historischen Ereignisses auf der Bühnenmaschine entfaltete, nach der Tradition der großen Geschichtsmalerei des 19. Jahrhunderts.

Mario Delitala, Vorbereitender Cartoon für La Cacciata dell’arrendadore, 1926
Mario Delitala, Vorbereitender Cartoon für La Cacciata dell’arrendadore, 1926 - © Beni Culturali Standard (BCS) - https://catalogo.beniculturali.it/detail/HistoricOrArtisticProperty/2000056858
Mario Delitala, Ratssaal der Gemeinde Nuoro in den 1930er Jahren, zeitgenössisches Foto
Mario Delitala, Ratssaal der Gemeinde Nuoro in den 1930er Jahren, zeitgenössisches Foto - © Archivio Ilisso

Für Delitala war die Vertreibung des Arrendatore ein „Beispiel für Freiheit, Mut und Unabhängigkeit“ und verdiente es, als Gründungsmoment der kommunalen Autonomie gefeiert zu werden. Der Künstler widmete dem Gemälde zahlreiche vorbereitende Studien und achtete besonders auf die Beschreibung der Bräuche und die Gesichter, für die er sich zeitgenössischer Modelle bediente, die er porträtierte.

Mario Delitala, La Cacciata dell’arrendadore, 1926
Mario Delitala, La Cacciata dell’arrendadore, 1926 - © Confinivisivi - Pierluigi Dessì, Museo MAN - https://www.museoman.it/it/museo/collezione/opera/La-cacciata-dellarrendadore/

Der dekorative Zyklus wurde von Lünetten an den Seiten mit allegorischen Szenen des sardischen Lebens vervollständigt, die die großen Themen der Liebe, der Familie, des Vaterlandes und des Glaubens darstellten. 
Die Dekoration des Ratssaals gibt es leider heute nicht mehr, aber zu besonderen Anlässen werden die Lünetten, die sich in der Sammlung der Gemeinde Nuoro befinden und die zentrale Leinwand, die im Museo MAN aufbewahrt wird, ausgestellt.