„Es ist das Herz Sardiniens, es ist Sardinien selbst in all seinen Erscheinungsformen. Es ist das offene Feld, auf dem die junge Zivilisation einen stillen Kampf gegen die seltsame sardische Barbarei führt, so übertrieben, jenseits des Meeres.
Die jungen sardischen Künstler nennen Nuoro scherzhaft das Athen Sardiniens. Und tatsächlich ist es die kultivierteste und kämpferischste Stadt der Insel.
Wir haben Künstler und Dichter, Schriftsteller und Gelehrte, starke und freundliche junge Menschen, von denen einige Sardinien Ehre machen und eine gewisse Berühmtheit erreicht haben.
Aber im Volk, unter der großen Masse, die der Halt und das Fundament des ganzen Gebäudes ist, liegt die Zivilisation, oder, wenn sie einen Sieg erringt, in dem Teil, der der primitive Barbarei vorzuziehen ist: der Korruption der Sitten.“
Das Athen Sardiniens
Beschreibung
Mit diesen Worten beschrieb Grazia Deledda - in einer Geschichtensammlung über die Volkstraditionen in Nuoro auf Sardinien, die 1983 in der Zeitschrift der italienischen Volkstraditionen veröffentlicht wurden - ihre Heimatstadt. Es war ein Schwarz-Weiß-Porträt, in dem sich eine Vorhut von Intellektuellen über ein Volk erhob, das in vielerlei Hinsicht immer noch archaisch und rückständig war.
Die scherzhafte Definition hatte Glück, denn sie wurde viele Jahre später von Leopoldo Carta in einer Einleitung zu einem Artikel über das 20. Jahrhundert aufgegriffen, in dem es um den klaren Sieg der Progressisten - zumindest in Worten - über die korrupte Bevölkerung Nuoros geht.
„Was für eine Verwandlung... auf den ersten Blick! - behauptet Carta - Nuoro, die Stadt auf Sardinien, die lange Zeit als Banditennest galt, ist heute die Wiege eines brodelnden Einfallsreichtums. Und tatsächlich ist es die Heimat von Grazia Deledda, deren Romane und Geschichten weltberühmt sind, des originellen Dichters Sebastiano Satta und zweier starker Künstler wie Francesco Ciusa und Antonio Ballero.“
Ein Nuoro voller Intellektueller und Künstler, die sich im Caffè Tettamanzi auf der Via Majore über Kunst und Literatur unterhalten. Dieses elegante Kaffeehaus, ein Unikat im Stadtpanorama, wurde 1875 von einem Schreiner aus Piemont, Antonio Tettamanzi, gegründet, der nach Nuoro kam, um in der Fabrik der Kirche Santa Maria della Neve zu arbeiten.
Die Säle des Tettamanzi und seine Stammgäste wurden später von Salvatore Satta in seinem Roman Il Giorno del giudizio (dt. Der Tag des Gerichts, 1977, posthum) meisterhaft beschrieben. Hier wird das Nuoro der Belle Epoche aus einem klaren und nüchternen Blickpunkt erzählt und wenig schmeichelhaft als „Krähennest“ bezeichnet.
Ob Idealisten wie Leopoldo Carta oder Pessimisten wie Salvatore Satta, es besteht kein Zweifel, dass Nuoro bis heute den Stolz seiner vielen berühmten Persönlichkeiten und den Willen, die Kultur voll auszuleben, bewahrt hat.
Mit knapp 37.000 Einwohnern verfügt Nuoro über fünf herausragende Museen, das Museo Archeologico Nazionale, das Museo del Costume, das Museo Man, Spazio Ilisso und das kürzlich eröffnete Museo della Ceramica. Daneben kann man hier auch das Casa Museo Grazia Deledda besuchen, das Teatro di Sardegna, ein Theater von erheblichem kulturellem Interesse, das TEN und Dutzende von künstlerischen, theatralischen und musikalischen Kulturvereinigungen.
Nur wenige Kilometer von der Hauptstadt der Barbagia entfernt befinden sich einige der bedeutendsten kulturellen Einrichtungen der Insel, wie das Museo Nivola in Orani und das Museo delle Maschere in Mamoiada. Außerdem finden hier Veranstaltungen von nationaler Bedeutung statt, beispielsweise die Isola delle Storie in Gavoi.
Diese spannende Atmosphäre und der Wille, sich über die Kultur weiterzuentwickeln hat 2012 zur Gründung des Distretto Culturale del Nuorese geführt.